
Dino Schosche, der Initiator der „Integrationswochen“, über die vergangenen und die nächsten zehn Jahre.
Eigentlich hatten wir viel vor. Wir wollten heuer zum zehnten Mal mit über 200 KooperationspartnerInnen aus ganz Österreich den ultimativen Beweis dafür liefern, dass wir in einer vielfältigen, offenen, modernen europäischen Gesellschaft leben und dass uns diese Vielfalt reicher und stärker macht. Und wir wollten mit euch anstoßen und unser Jubiläum gemeinsam feiern.
Nun überraschte auch uns die sogenannte Coronakrise. Und auch wir mussten leider einerseits auf vieles verzichten und andererseits viel improvisieren. Und ja – wir haben es trotzdem geschafft. Wir haben auch heuer den MigAward – den Preis der österreichischen MigrantInnen – erfolgreich verliehen und auch die Jahrespublikation „Integration“ herausgegeben. Die Krise, die wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, hat nicht nur gezeigt, wie wichtig ein gutes Gesundheitssystem ist und wie gut Sachlichkeit in der Politik funktionieren kann, sondern auch, dass wir die großen Herausforderungen unserer Gesellschaft nur gemeinsam meistern können.
Sie hat auch gezeigt, wie wichtig die MigrantInnen für dieses Land sind und auch, dass Mehrsprachigkeit die Gesundheit und damit auch das Leben retten kann.
Denn noch nie zuvor gab es in Österreich so viele Informationen in verschiedenen Sprachen. Weil die Verantwortlichen – jenseits von Hassparolen und Hetze – erkannt haben, dass Mehrsprachigkeit Menschen und damit auch unsere Gesellschaft beschützen kann. Aber die Coronakrise hat gleichzeitig leider auch gezeigt, dass die MigrantInnen in diesem Land immer noch BürgerInnen zweiter Klasse sind und dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft leider immer noch nur ein Wort ist. Das haben die täglichen Ansprachen des Bundeskanzlers ebenso verdeutlicht wie der Anstieg der rassistischen Vorfälle während der Coronakrise. Das werden sehr bald sowohl die Arbeitslosenzahlen als auch die Insolvenzen von UnternehmerInnen zeigen. Denn darunter werden die Menschen mit Migrationshintergrund leider überdurchschnittlich stark vertreten sein.
Und sehr bald werden auch Budgets gekürzt und damit auch noch weniger in die Integration investiert. Denn an vielen Stellen in unserem Land ist die Integration, insbesondere die Partizipation, mehr mit politischen Auseinandersetzungen als mit konkretem Willen, etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun, verknüpft. Und obwohl meine persönlichen Prognosen nicht gerade optimistisch klingen, eines ist jetzt schon sicher: Wir werden weitermachen! Deshalb werden wir in den nächsten zehn Jahren nicht nur zeigen, präsentieren und feiern, sondern hoffentlich auch gemeinsam etwas bewegen. Die „Integrationswochen“ der nächsten Jahre können und müssen eine Plattform für Veränderungen sein. Deshalb lade ich euch ein, liebe Freundinnen und Freunde, gemeinsam mit uns für eine starke, offene und vielfältige Gesellschaft einzutreten – mit Worten, aber auch mit Taten.
Eine offene Gesellschaft braucht keine Hetze, aber sie braucht genauso wenig schöne Worte, die nur auf dem Papier stehen.
Eine starke Gesellschaft braucht offene Diskussionen und mutige Menschen, die Veränderungen gestalten und mittragen.Dieses Land braucht nicht nur eine echte Integrationspolitik – Österreich braucht eine Partizipationspolitik und die gleichberechtigte Teilhabe aller BürgerInnen. Weil MigrantInnen, die sich für ihre eigenen Interessen einsetzen und ihre Partizipationsrechte wahrnehmen, Ausdruck eines demokratischen Gesellschaftssystems sind, das sich auf die aktive Mitgestaltung aller BürgerInnen unabhängig von ihrer Herkunft stützt und niemanden ausgrenzt. Zu dieser Teilhabe muss man einerseits die Menschen motivieren und andererseits muss man sie ermöglichen und unterstützen. Aber leider leben sehr viele in diesem Land immer noch in einem „Gastarbeitermodus“ – unsere Institutionen sind, genauso wie die Mehrheit der MigrantInnenorganisationen, noch immer weit davon entfernt, ein Spiegelbild unserer Gesellschaft zu sein.
Eines hat auch die Coronakrise bewiesen: Die Zukunft gelingt am besten gemeinsam.
Es geht nicht um links, Mitte oder rechts. Es geht nicht um Regierung oder Opposition. Und es geht auch nicht um Strafen, Drohungen oder Kürzungen. Es geht um Menschen. Aber es geht nicht nur um knapp zwei Millionen MitbürgerInnen mit internationaler Geschichte. Es geht um uns alle. Reale Menschen mit realen Problemen und Sorgen. Denn Migration, Integration und Teilhabe sind langfristige Herausforderungen, die wir gemeinsam, nachhaltig und strukturell angehen müssen. Weil eine starke, moderne und offene Gesellschaft die Einbindung aller AkteurInnen braucht.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir werden bald ein neues Konzept für die „Integrationswochen“ vorstellen und euch alle einladen, diesen neuen Weg mit uns zu gehen. Denn die Zukunft gelingt am besten gemeinsam.
Es lebe die Vielfalt!
Dino Schosche
Foto: Michael Mazohl