
Anlässlich der Integrationswochen 2025, die unter dem Motto „Flagge zeigen für Vielfalt“ stehen, erklärt Dominic Weiss, warum Diversität weit mehr ist als ein gesellschaftliches Schlagwort. Im Gespräch spricht er über die Bedeutung von Vielfalt für die Wiener Wirtschaft, die Rolle migrantischer Unternehmer:innen und wie die Wirtschaftsagentur Wien konkrete Maßnahmen für mehr Chancengleichheit und Inklusion setzt. Ein Plädoyer für Offenheit, Innovation und strukturelle Fairness.
Was bedeutet Vielfalt für Sie persönlich und wie prägt sie Ihre Arbeit als Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien?
Vielfalt bedeutet für mich die Anerkennung und Wertschätzung unterschiedlicher Perspektiven, Lebensrealitäten und Erfahrungen. Vor allem im wirtschaftlichen Kontext stellen diese Unterschiede eine ganz klare Stärke dar. In meinem beruflichen Alltag bei der Wirtschaftsagentur Wien sehe ich täglich, wie wichtig Vielfalt ist: Unsere Mitarbeiter*innen bringen verschiedenste kulturelle, soziale, religiöse und berufliche Hintergründe mit. Dadurch wird die Arbeit mit unseren vielfältigen Zielgruppen bereichert und die Wirksamkeit der Arbeit erhöht – egal ob für das kleine lokale Startup oder das internationale Unternehmen mit migrantischem Gründungsteam.
Welche Rolle spielt Diversität für die wirtschaftliche Entwicklung Wiens?
Die Förderung einer vielfältigen Unternehmenslandschaft ist sehr wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt. Unternehmen, die Diversität in ihren Teams und generell in den Strukturen verankern, profitieren von einer größeren Bandbreite an Perspektiven, Erfahrungen und Kompetenzen. Diese Vielfalt schafft die Grundlage für Innovation, Kreativität und nachhaltiges Wachstum. In Wien gibt es eine Vielzahl an Unternehmer:innen mit Migrationshintergrund, was sich in der großen Bandbreite an Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen widerspiegelt. Ohne migrantische Unternehmen wäre Wien wirtschaftlich, kulinarisch und kulturell deutlich ärmer: der Naschmarkt, zahlreiche Kaffeehäuser, internationale Softwarefirmen, Pflege-Startups oder spezialisierte Handwerksbetriebe – sie alle zeigen, wie migrantisches Unternehmertum diese Stadt prägt. Diese Betriebe schaffen Arbeitsplätze, bilden aus, reagieren flexibel auf neue Marktbedürfnisse und bringen internationale Netzwerke, Sprachkenntnisse und interkulturelles Know-how mit. Diversität trägt maßgeblich zur Weiterentwicklung Wiens und zur Positionierung als multinationale Wirtschaftsmetropole bei.
Die Integrationswochen 2025 stehen unter dem Motto „Flagge zeigen für Vielfalt“. Wie setzt die Wirtschaftsagentur dieses Motto konkret um?
Wir setzen uns aktiv für ein vielfältiges und chancengerechtes wirtschaftliches Umfeld ein. Das bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Sprache, Geschlecht, kulturellem Hintergrund, Bildungsstand oder familiärem Umfeld – Zugang zu Information, Beratung und Förderung erhalten. Unsere interne Vielfalt unterstützt uns dabei maßgeblich: Aktuell sind in der Wirtschaftsagentur Wien 24 Sprachen und 18 Nationen vertreten. Die Kolleg:innen in der Abteilung International Business und im Expat Center können Unternehmen, Fachkräfte aus aller Welt und Expats in insgesamt 17 Sprachen beraten und in Wien willkommen heißen. Auch unsere mehrsprachigen Workshops vermitteln praxisnahes Wissen zu zentralen Gründungsthemen und legen dabei besonderen Fokus auf Gründer*innen mit Migrationsgeschichte. Die muttersprachlichen Beratungsangebote ermöglichen und fördern einen leichteren Zugang zu allen wichtigen Informationen und den interkulturellen Austausch zwischen Branchen und Personen. Auch Frauen als Gründerinnen stehen bei uns in der Wirtschaftsagentur im Fokus: Mit gezielten Förderprogrammen wie dem Frauenbonus setzen wir hier Schwerpunkte. Die interaktiven Workshops in unserem Erlebnisraum vermitteln auch jungen Menschen, unabhängig von Geschlechterrollen, praxisnahes Wissen über MINT-Berufe. Durch unsere Angebote sind wir nah an unseren Zielgruppen dran und wissen somit aus erster Hand, welche Herausforderungen und Hürden diese meistern. Die Erkenntnisse tragen wir auch innerhalb der städtischen Strukturen weiter und versuchen somit – wo es geht – Verbesserungen zu erzielen.
Wie stellt die Wirtschaftsagentur Wien sicher, dass Diversität und Chancengleichheit in der Förderpraxis wirkungsvoll berücksichtigt werden?
Diversität und gesellschaftlicher Impact sind fest in unseren Förderprogrammen verankert. Alle Antragssteller:innen sind verpflichtet, entsprechende Konzepte zu diesem Thema vorzulegen – sie fließen direkt in die Förderbewertung ein und sind Voraussetzungen für eine Antragbewilligung.
Damit diese Kriterien auch fair und wirksam angewendet werden, durchlaufen alle Jury-Mitglieder:innen ein verpflichtendes E-Learning zu „unconscious bias“. So wird sichergestellt, dass unbewusste Diskriminierung im Entscheidungsprozess vermieden wird. Auch intern arbeiten wir kontinuierlich an Bewusstseinsbildung: Alle Mitarbeiter*innen absolvieren Gender- und Diversitätstrainings, in denen neben theoretischem Wissen auch praktische Kompetenzen für die Beratung vermittelt werden. Unser Diversity Circle beleuchtet laufend aktuelle Themen, diskutiert alle Facetten von Diversität und macht das Thema innerhalb sowie außerhalb der Wirtschaftsagentur Wien sichtbar. So sorgen wir dafür, dass Vielfalt nicht nur gelebt, sondern auch strukturell verankert wird – mit dem Ziel, faire Zugänge zu schaffen und langfristige Chancengleichheit in der Wiener Wirtschaft zu ermöglichen.
Interview: Pia Tüchler
Foto: Wirtschaftsagentur Wien/Paul Bauer