
Eser Akbaba über die Sprache als Integrationskriterium, den Zusammenhalt in der Gesellschaft und ihr neues Buch „Sie şprechen ja Deutsch!“
INTERVIEW: RONJA NEGER
Integration: Wie würdest du die Quarantäne in einem Wetterbericht beschreiben? Eher sonnig, bewölkt oder regnerisch? Eser: Es wird zeitweise sonnig und bewölkt, wobei die Wolken überwiegen. Zwischendurch kann es aber auch immer wieder kurz regnen und mit der Sonne gibt es dann auch hin und wieder einen Regenbogen zu sehen.
Integration: Bist du ein Role Model? Eser: Wenn ich jemandem durch meinen beruflichen Werdegang helfen kann, seine Träume zu verwirklichen, dann bin ich gerne ein Role Model.
Integration: Kennt man dich eigentlich auch in der Türkei? Eser: Noch nicht.
Integration: Was war der letzte Traum, an den du dich erinnern kannst? Eser: Hm … ich habe von einem Raum voller Kürbis-Desserts geträumt …
Integration: Ein Traum, der auch Wirklichkeit werden könnte. In deinem neuen Buch „Sie şprechen ja Deutsch!“ hast du Traum und Wirklichkeit veröffentlicht, nur dass es dabei nicht um Kürbis-Desserts geht, sondern um dein Leben zwischen zwei Welten. Was genau sind diese zwei Welten? Und haben die sich mittlerweile angenähert? Eser: Zuallererst ist es die Sprache. Man sollte stolz darauf sein, wenn man eine andere Muttersprache hat, und nicht versuchen, sie zu verheimlichen. Das haben früher viele so gemacht, weil sie der Meinung waren, dass sie sonst nicht als gleichwertig angesehen werden. Sie haben ihren Kindern ihre Muttersprache nicht weitergegeben. Ich hatte einerseits Glück, dass ich mit Deutsch als Erstsprache aufgewachsen bin, andererseits tut es mir leid, dass ich meine Muttersprache Zaza nicht wirklich lernen konnte, da sie damals verboten war. Ich habe im Laufe der Zeit die Zweitsprache meiner Eltern, nämlich Türkisch, gelernt und bin mittlerweile in drei Sprachen beheimatet.
Integration: Macht es dich nicht manchmal böse, dass manche Sprachen als „gut“ gelten und manche als „schlecht“? Eser: Es macht mich traurig, dass man Sprachen klassifiziert. Denn keine Sprache ist weniger wertvoll. Wir erleben in unserem Alltag, dass die Minderheitensprachen wie BKS, Türkisch, Farsi, Arabisch etc. auch für die Integration sehr wichtig sind. Wenn jemand Englisch oder Französisch spricht, dann assoziiert man diese Person nicht mit jemandem, der Minderheitensprachen spricht. Sie gehören automatisch zu den Eliten. Das hat mit der Nicht-Wertschätzung der Mehrsprachigkeit zu tun.
Integration: Du gibst selbst Deutschkurse an deiner alten Schule. Kommen da manchmal Erinnerungen hoch? Eser: Sehr oft. Schon wenn ich meine alten Lehrerinnen sehe, werde ich sehr sentimental. Oder aber, während ich unterrichte und merke, dass mein/e SchülerIn etwas nicht versteht. Dann erinnere ich mich zurück, wie es bei uns damals war. Es war nicht einfach und ist es noch immer nicht. Daher bin ich der Meinung, dass wir in den Schulen mehr PädagogInnen mit Migrationshintergrund brauchen.
Integration: Weil die SchülerInnen jemanden brauchen, der ihre Situation nachvollziehen kann? Eser: Ganz genau. Ich war auch in dieser Schule und hatte mit meinen damaligen Klassenkameraden genau dieselben Probleme.
Integration: Deine Eltern sind als Gastarbeiter nach Österreich gekommen und hatten es nicht immer leicht, sich zu integrieren. War das für dich einfacher? Und wenn ja, warum? Eser: Mein Glück war es, dass mich meine Eltern mit einem Jahr in den Kindergarten gebracht haben, weil sie arbeiten mussten. Daher bin ich mit Deutsch als Erstsprache aufgewachsen. Einfach hatte ich es aber nicht. Mit Vorurteilen musste ich immer kämpfen.
Integration: Was bedeutet das für Menschen, die sich bei der Integration Mühe geben, die Sprache lernen und dann trotzdem diskriminiert werden? Eser: Der Integrationsprozess ist eine Never Ending Story und man kann es nie jedem recht machen. Wenn ich persönlich noch immer nach meinen „perfekten“ Deutschkenntnissen gefragt werde, frage ich mich schon, was in der ganzen Integrationsdebatte falsch gelaufen ist. Ich frage mich: Wann ist jemand integriert oder wann bin ich eine von „euch“?
Integration: Du sprichst auch über den Rassismus und Sexismus, der dir im Internet begegnet. So geht es vielen Frauen in der Öffentlichkeit. Ist ein Ende in Sicht? Eser: Vielleicht irgendwann einmal …. aber wir Frauen müssen in erster Linie lernen, zusammenzuhalten und uns gegenseitig zu stärken. Mit der Zeit lernt man, negative Kommentare oder Angriffe in Foren einfach zu ignorieren.
Integration: Die Frauen halten noch nicht so gut zusammen? Eser: Ich habe die Geschichte in meinem Buch festgehalten: Ich wurde auf einer Veranstaltung von einem Security ziemlich arg beschimpft und von den 20 anwesenden Frauen hat nur meine Freundin zu mir gehalten und mich verteidigt. Alle anderen haben uns nur zugesehen … das meine ich mit „nicht zusammenhalten“. Aber auch in der Berufswelt gibt es genügend Beispiele.
Integration: Du deutest im Buch auch an, dass dich dein Erfolg zu einer Prinzessin gemacht hat … Eser: Hat es mich das? Davon bekomm ich nichts mit …
Integration: Was wünschst du dir für die Zukunft anderer Kinder, die heute zwischen zwei Welten aufwachsen? Eser: Wichtig ist, dass man sich nicht für eine Kultur entscheiden muss, denn beide Seiten sind gleich wertvoll: sowohl die Kultur und die Sprache des Heimatlandes als auch die der neuen Heimat. Man muss nur lernen, das Beste daraus zu machen … Mehrsprachigkeit als ein Asset sehen und die Chancen nutzen, die einem angeboten werden.
Integration: Und was wünschst du dir diesbezüglich von Österreich? Eser: Mehr positive Beispiele vor den Vorhang holen!
Integration: Dein Vorname Eser bedeutet sinngemäß „ein Werk zu hinterlassen“. Ist diese Aufgabe mit dem Buch erfüllt? Eser: Ich bin ja noch jung und habe noch einiges vor. Aber ja, ich habe im wahrsten Sinne des Wortes ein Werk hinterlassen.
Integration: Wenn du dir aussuchen dürftest, welche Sendung du moderierst … Eser: Das Wetter zu moderieren, war immer schon ein Traum von mir, aber ich denke, dass ich nach fast elf Jahren Wettermoderation schön langsam eine andere Richtung einschlagen sollte – News oder Infotainment.
FOTO: Manfred Weisl